Das Taxi des Grauens

Gruselgeschichten sind nicht für alle Teilis geeignet. Ihr kennt eure Teilis und solltet es einschätzen können. Achtet darauf, dass aus „gruseln“ nicht „Angst“ wird. Beobachtet sie während des Erzählens und brecht im Zweifelsfall ab.

Diese Gruselgeschichte erzählt ein „Ereignis aus eurem Leben“. Passt sie dementsprechend an und erzählt sie frei.

Vor vielen Jahren war ich Zivi in Schwäbisch Hall. Ich hab den Krankenschwestern im Krankenhaus geholfen, die Patienten zu versorgen. Leider war die Bezahlung nicht besonders gut. Also hab ich einen Nebenjob angenommen. Taxi fahren.

Das war meistens recht angenehm. Ab und zu musste ich auch unsympathische Menschen fahren, aber mit den meisten konnte man sich ganz gut unterhalten.

Weil ich ja tagsüber im Krankenhaus arbeitete, übernahm ich mit dem Taxi häufig die Schicht am Abend. Und an einem nebligen Freitagabend im November begann die Geschichte…

Über das Funkgerät bekam ich kurz vor Schichtende um Mitternacht von der Zentrale den Auftrag, einen Mann am Bahnhof abzuholen. Also fuhr ich zur vereinbarten Stelle. Der Mann, der dort in das Taxi stieg, war etwas seltsam gekleidet. Er hatte einen langen, schwarzen Mantel an und einen Hut mit einer breiten Krempe, die das Gesicht großteils verdeckte. Unter dem Hut hingen glatte, blonde Haare hervor. Sie gingen bis zu seinen Schultern und schienen gut gepflegt. In der Hand hatte er einen schwarzen Koffer.

Er setzte sich grußlos auf die Rückbank und sagte mit einer tiefen Stimme: „Bring mich zum Friedhof!“ Ich startete das Taxameter und fuhr los. Im Rückspiegel sah ich, dass er den Hut nicht abgenommen hatte. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen. Irgendwie war mir nicht nach lockerer Unterhaltung zumute. Dem Fahrgast wohl auch nicht. Also fuhren wir schweigend durch die Nacht.

Am Friedhof angekommen, stieg er aus und sagte bestimmend: „Warte hier!“

Ich gruselte mich. Die krächzende Stimme ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Am Friedhof war nachts natürlich niemand unterwegs. Und so wartete ich im Dunkeln.

Zwei Minuten… fünf Minuten… zehn Minuten… Nur das Taxameter tickte leise vor sich hin.

Plötzlich ging die hintere Tür auf und der seltsame Fahrgast stieg wieder ein. „Bring mich zurück zum Bahnhof“ sagte die Stimme wieder in einem Befehlston.

Am Bahnhof angekommen, stieg er wortlos aus, bezahlte und verschwand auf einem unbeleuchteten Weg.

Erleichtert brachte ich das Taxi zurück zur Zentrale. Kurze Kontrolle: Alles sauber, keine Schramme im Lack. Endlich Feierabend. Es war schon nach Mitternacht und im Ziviwohnheim war noch Party angesagt.

Ich hatte den seltsamen Mann schon fast vergessen, oder sollte ich sagen verdrängt, als am Freitag darauf wieder eine halbe Stunde vor Schichtende ein Funkspruch kam, dass ich jemanden am Bahnhof abholen sollte. Und ihr liegt richtig, wenn ihr vermutet, dass es wieder dieser seltsame, schwarz gekleidete Mann war. Wieder stieg er ein und ich hörte die bekannte Stimme: „Bring mich zum Friedhof!“

Wieder konnte ich das Gesicht nicht erkennen. Wieder musste ich warten.

Zwei Minuten… fünf Minuten… zehn Minuten… Nur das Taxameter tickte leise vor sich hin.

Ich machte mir meine Gedanken. „Letztes mal ist ja alles gut gegangen. Und nur, weil er etwas gruselig aussieht, und sich auch so verhält, ist er noch lange kein schlechter Mensch. Er ist ja genau genommen nicht mal unfreundlich, nur eben so … gruselig.“

Auf einmal ging die Tür wieder auf und der seltsame Fahrgast stieg wieder ein. „Bring mich zurück zum Bahnhof“.

Im Rückspiegel konnte ich erkennen, dass sein Hut weiter nach hinten gerutscht war. Die ursprünglich glatten Haare waren zerzaust und das, was ich vom Gesicht erkennen konnte war mit Dreck verschmiert.

Am Bahnhof zahlte er wortlos und verschwand in die gleiche Richtung wie beim letzten mal. Als ich dieses mal das Taxi zurückstellte, lag im Fußraum dort, wo er gesessen hatte, Erde. Und auf dem Sitz war ein roter Fleck. War das Blut? Hatte er sich irgendwo verletzt? Der Sitz war aus Kunstleder, also war das schnell weg gewischt. Und die Fußmatte konnte ich mit dem Staubsauger ruck-zuck sauber saugen. Feierabend. Wochenende genießen und den seltsamen Mann vergessen.

Am nächsten Freitag hatte ich während der ganzen Schicht ein ungutes Gefühl. Und als ich gegen halb zwölf den Funkspruch empfing, dass ich jemand am Bahnhof abholen sollte, war ich kurz davor, die Fahrt abzulehnen. Aber die Neugier hatte mich gepackt. Und ich bin ja auch kein Feigling!!!

Also fuhr ich zum Bahnhof. Und, genau wie ich erwartet hatte, stieg der schwarzgekleidete Mann mit den Worten „Bring mich zum Friedhof!“ zu.

Wie schon an den letzten beiden Freitagen musste ich vor dem Friedhof warten.

Zwei Minuten… fünf Minuten… zehn Minuten… Nur das Taxameter tickte leise vor sich hin.

Ich beobachtete zwar die Umgebung, so gut das in der Dunkelheit ging, aber ich sah ihn nicht kommen. Ich erschrak als sich die Tür öffnete und der Mann fast hektisch wieder zu stieg. „Bring mich zurück zum Bahnhof“ sagte er mit der seltsam tiefen und kratzigen Stimme.

Er schien außer Atem zu sein. Und als ich in den Rückspiegel sah, erschrak ich noch mehr. Der Hut war weg und ich konnte sein bleiches Gesicht sehen. Die Haare waren total durcheinander und an den Mundwinkeln waren Blutspuren zu sehen. Was mir erst auf den zweiten Blick auffiel, waren seine langen, spitzen Eckzähne.

Mich beschlich ein grausamer Verdacht. Innerlich rang ich mit mir. Ich wollte es wissen, aber traute mich nicht, es auszusprechen.

Mit leiser, zitternder Stimme fragte ich: „Äh, Entschuldigung, wenn ich so … direkt … frage. Aber… sind… sind sie… sind sie ein Vampir?“

„JAAAAA“

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Wie schon erwähnt lebt diese Geschichte von der Art des Erzählens. Der Effekt bei dieser Geschichte ist, dass ihr beim Erzählen zuerst normal sprecht, dann immer leiser werdet und am Ende die Antwort auf eure Frage laut schreit.

Nach einem Facebookkommentar kam mir der Gedanke, dass ein alternatives Ende mit „NEIN!“ keine Existenz von Vampiren voraussetzt und grundsätzlich genau so gut funktioniert.

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